Monday, September 26. 2016
Wahn und Wesen
Auf dass wir kein Unrecht dulden
Keinen Untaten unseren Segen erteilen
Auf dass wir uns verweigern
Und keinen Weg durch Mittel heiligen
Auf dass wir ihnen nicht erliegen
Den Tyrannen, in Wahn und Wesen
Wenn er zurückdachte, dann konnte er nicht anders, er musste unwillkürlich lachen, ein grimmiges, spöttisches Lachen. Schwächlinge, alle miteinander! Er konnte sich da selbst nicht ausnehmen. Auch er war schwach gewesen. Nur jener war stark gewesen, er allein, der wahre Herr und Meister, wie es keinen mehr gab. Stimme, Kraft, Blick, alles von einzigartiger Schönheit, unvergleichlich und unerreicht.
Ich kannte ihn, dachte er oft. Nur ich kannte ihn! Und es war die Wahrheit, mit ihm hätte alles gelingen können. Nur er wusste, wollte, war als einziger wahrhaftig. Aber er war von Schwächlingen umgeben gewesen, bei denen man nur spöttisch das Gesicht verziehen konnte. Und von Feinden, von unzähligen Feinden. Ha! Wie sie sich über ihn hergemacht hatten, erst aus der Ferne, und später, als es zu spät war, viel zu spät, waren sie über seinen Kadaver hergefallen wie Wölfe. Nein! Nicht wie Wölfe! Wie Kakerlaken, die über die erlesensten Speisen herfielen als wären sie Unrat.
Und überhaupt, das Essen. Sie versetzten das Essen, jegliches Essen, mit ihren Ausscheidungen. Die Ausscheidungen von Kakerlaken in allem, was man zu sich nahm, auch heute noch! Aber sie würden ihn nicht kriegen, er war auf der Hut!
Wenn er zurückdachte, damals, da war das Essen noch rein gewesen. Die Luft war rein gewesen, ebenso wie das Wasser.
Als er ihn das erste Mal gesehen hatte, den Einen, den Wahren, hatte es ihm schier den Atem verschlagen. Es war im Frühling gewesen, natürlich, an einem kristallklaren, reinen Frühlingstag mit strahlendem Sonnenschein, ein Hoch hatte über dem Land gelegen. Sie hatten einander die Hände geschüttelt, mit festem Griff, nachdem der Meister eine Rede gehalten hatte, eine bedeutende Rede von vollendeter Form. Er war zur Bühne vorgedrungen und hatte diese erklommen, um diesem Manne, der ihm so aus dem Herzen gesprochen hatte, seine Ehrerbietung auszusprechen, ihm zu danken. Stattdessen hatte der Meister, der ihn sofort wahrgenommen hatte und auf ihn zu gekommen war, ihm gedankt, dass er in ihm solch einen aufmerksamen Zuhörer gefunden hätte.
Obwohl der Saal voll gewesen war, hatte der Meister sich alle Zeit genommen, ihn über seine Gedanken zu befragen. Wie das hehre Ziel zu erreichen sei, seiner Meinung nach. Wie sie sich würden politisch durchsetzen können. Wie er in dieser oder jener Frage dachte. Mit wachsender Begeisterung hatte er geantwortet, denn er hatte sich nicht erinnern können, dass ihm schon einmal jemand so zugehört hatte. Es war bis spät in die Nacht gegangen, dieses erste Gespräch, nur unterbrochen von vereinzelten Gratulationen oder Danksagungen anderer, denen der Meister zurückhaltend, fast widerstrebend begegnet war. Und er, die trübe Funzel aus einem kleinen Kaff, hatte zu leuchten begonnen wie ein großes Licht, dafür hatte der Meister gesorgt.
Damals war ihm klar geworden, dass, wollte man das Ziel verwirklichen, nur ein einziger Mann dies erreichen konnte, und dass alle Welt sich diesem Manne anschließen musste.
Von dem Tag an war er dem Meister gefolgt. Hatte jeden von dessen Schritten versucht vorauszuahnen. Hatte erkannt, was die wahre Liebe war, nämlich nur die absolute, unverbrüchliche Treue zu einem großen Geist. Sie half, alles andere zu besiegen, half, das Widersinnige, das Widerwärtige, das Abgründige abzuschütteln.
Er war durch die Hölle gegangen, mehr als einmal, bevor er dem Meister begegnet war. Hatte sich absurdem und unwürdigem Verlangen hingegeben, und zwar nicht nur in Gedanken. Mit Ekel und Abscheu dachte er noch immer an diese Irrwege zurück, die er hatte verlassen können, als der Meister ihm seine Sphären eröffnet hatte. Gefolgschaft, Treue und Unterwerfung hatten ihn von diesen Irrwegen abgebracht. Der Meister war seine Rettung gewesen.
Es galt damals, die Aufgaben zu erfüllen, die den Meister, die sie alle, dem Ziel näher brachten. Gewissenhaft hatte er sich mit all seiner Kraft an die Arbeit gemacht, hatte keine noch so schwere Bürde abgelehnt und sich für alles eingesetzt, das ein anerkennendes Lächeln auf des Meisters Lippen zu zaubern vermocht hatte.
Diese Schwachköpfe, die heutzutage in des Meisters Schatten herumliefen, seinen Namen riefen und sich mit seinen Idealen brüsteten. Nicht einmal würdig, Staub von seinen Stiefeln zu lecken, wären sie damals gewesen. Diese satten Parasiten, die sich aus der Zügellosigkeit der Gegenwart speisten, die ihnen wiederum ihre Eskapaden und ihre Phrasen auch noch als Torheiten nachsah, die hatten nicht den Funken einer Ahnung, was Gefolgschaft ihm gegenüber bedeutet hatte. Welcher Schmerzen man Herr werden musste. Welche Opfer man zu bringen hatte. Dass nichts anderes mehr zählte als sein Wort. Dass keine Wahrheit wahrhaftiger war als die seine. Dass die eigenen Bedürfnisse keine Rolle mehr spielten, weil die eine Richtung, die einzige Richtung, vorgegeben war. Da war kein Platz für sinnloses Gelärm und Geschwärm, da war allein der Meister und sein Wort.
Diese hirnlosen Trittbrettfahrer glaubten tatsächlich es zu kennen, sein Wort. Glaubten, ihn zu kennen. Aber sie hatten ihn nicht gekannt, hatten nie seine Präsenz erlebt, hatten nie am eigenen Leib gespürt, wie seine Aura einen Raum, einen Saal, eine ganze Arena füllen konnte. Sie waren nie trunken vor Freude in Jubel ausgebrochen, wenn der Meister wieder einmal genau das ausgesprochen hatte, was sie alle in ihren Herzen fühlten, und ihnen dabei auch noch direkt in die Augen geblickt hatte. Ihre lächerliche Anhängerschaft hatte mit wahrer Ergebenheit so gar nichts gemein, war nichts als ein Abklatsch von damals.
Fort! Alles fort! Der Tod des Meisters hatte das Ende von allem besiegelt. Seine Welt war mit ihm zerstört. Was danach kam, war von keiner Bedeutung mehr, die Sache an sich war verloren und würde es immer bleiben.
Alle Welt war in solcher Unkenntnis der wahren Motive des Meisters und niemand konnte begreifen. Sie maßten sich dennoch ein Urteil an, maßen sein gesamtes Wirken allein am Unausweichlichsten, das doch niemals hätte geschehen müssen, wenn er damals den Meister nicht im Stich gelassen hätte, wenn er nicht auch zu schwach gewesen wäre. Dabei war der Plan an sich gut gewesen. Er hätte die Rettung bringen können und die Welt und den Meister vor jenem Unausweichlichsten bewahren.
Aber er war zu schwach gewesen, zu klein, zu unbedeutend. Ohne die Aura des Meisters, die ihn zum Leuchten gebracht hatte, war sein Schein verblasst und er hatte versagt. Auf der ganzen Linie versagt.
Das lag nun so viele Jahre zurück, und die ach so neue Zeit hatte ihm eine Trostlosigkeit gebracht, der er so gerne entkommen wäre. Versucht hatte er es mehr als einmal. Aber nicht einmal das wollte ihm gelingen. Selbst dazu war er einfach zu schwach. Und sich von ihnen, seinen Feinden, aller Sinne berauben zu lassen, diesen Triumph konnte er ihnen auch nicht gönnen.
Das Eingesperrtsein war nicht das Problem, mochten sie das auch glauben, die sich zu Richtern über ihn ernannt hatten. Nein, das Eingesperrtsein war eine Befreiung, weil ihn die Welt, wie jetzt war, auf diese Weise so gar nichts mehr anging. Weil er nicht mehr von ihr belangt werden konnte. Das Ende seiner Welt war längst gekommen. Er harrte hier aus, um auf eine Gelegenheit zu warten, nachzufolgen und sein persönliches Ende zu erleben. Aber er war sich sicher, dass dieses lange Ausharren seine Bestrafung war für sein Versagen am Meister, dafür, dass er ihn verlassen und im Stich gelassen hatte.
Dabei hatte er geglaubt, auf Verbündete zu treffen, die er dem Meister als solche hätte präsentieren können, die ihm hätten zum Ziel verhelfen können, ihn unterstützen, noch bevor die Krise nahte. Er hatte sie nahen sehen, und der Meister hatte das verstanden, weil er ganz sicher selbst darum gewusst hatte. Aber der Meister hätte es niemals zugelassen, dass er als sein persönlicher Vertreter sich derart opferte. Deshalb hatte er seine Aktion heimlich in die Wege leiten müssen in der vollen Überzeugung, dem Meister seinen Erfolg präsentieren zu können, um wieder einmal das anerkennende Lächeln auf dessen Lippen erleben zu dürfen. Jenes Lächeln, welches nun schon so lange dem großen Bemühen zum Opfer gefallen war, auf allen Fronten zugleich kämpfen zu müssen. Dann wäre er allein des Meisters oberster Getreuer gewesen und hätte ihm den allergrößten Dienst erwiesen.
Aber er hatte es nicht gekonnt. Darum hatte er es verdient, ohne jede Hoffnung weiterleben zu müssen, obwohl er auch dafür im Grunde zu schwach war. Denn wenn sich die Gelegenheit bot, würde er wieder versuchen, sich diesem sinnlosen Dasein zu entziehen. Vielleicht würde ihm diesmal jemand dabei helfen.
Er kannte nur ein einziges Bedauern, dass er den Meister, der ihn schließlich für einen Abtrünnigen hatte halten müssen, nicht lebend hatte wiedersehen können. Aber dieser Gedanke war wohl ein allzu selbstsüchtiger, schließlich war er geradezu überglücklich gewesen, dass der Meister durch eigene Hand sein Ende gefunden hatte und sich so dem Urteil dieser Barbaren, die nie begreifen würden, hatte entziehen können. Auf diese Art hatten sie seinem Wesen nichts anhaben können. Schwächlinge, allesamt, und des Meisters nicht würdig! Und er gehörte nun schon so lange dazu.
© 2016
Keinen Untaten unseren Segen erteilen
Auf dass wir uns verweigern
Und keinen Weg durch Mittel heiligen
Auf dass wir ihnen nicht erliegen
Den Tyrannen, in Wahn und Wesen
Wenn er zurückdachte, dann konnte er nicht anders, er musste unwillkürlich lachen, ein grimmiges, spöttisches Lachen. Schwächlinge, alle miteinander! Er konnte sich da selbst nicht ausnehmen. Auch er war schwach gewesen. Nur jener war stark gewesen, er allein, der wahre Herr und Meister, wie es keinen mehr gab. Stimme, Kraft, Blick, alles von einzigartiger Schönheit, unvergleichlich und unerreicht.
Ich kannte ihn, dachte er oft. Nur ich kannte ihn! Und es war die Wahrheit, mit ihm hätte alles gelingen können. Nur er wusste, wollte, war als einziger wahrhaftig. Aber er war von Schwächlingen umgeben gewesen, bei denen man nur spöttisch das Gesicht verziehen konnte. Und von Feinden, von unzähligen Feinden. Ha! Wie sie sich über ihn hergemacht hatten, erst aus der Ferne, und später, als es zu spät war, viel zu spät, waren sie über seinen Kadaver hergefallen wie Wölfe. Nein! Nicht wie Wölfe! Wie Kakerlaken, die über die erlesensten Speisen herfielen als wären sie Unrat.
Und überhaupt, das Essen. Sie versetzten das Essen, jegliches Essen, mit ihren Ausscheidungen. Die Ausscheidungen von Kakerlaken in allem, was man zu sich nahm, auch heute noch! Aber sie würden ihn nicht kriegen, er war auf der Hut!
Wenn er zurückdachte, damals, da war das Essen noch rein gewesen. Die Luft war rein gewesen, ebenso wie das Wasser.
Als er ihn das erste Mal gesehen hatte, den Einen, den Wahren, hatte es ihm schier den Atem verschlagen. Es war im Frühling gewesen, natürlich, an einem kristallklaren, reinen Frühlingstag mit strahlendem Sonnenschein, ein Hoch hatte über dem Land gelegen. Sie hatten einander die Hände geschüttelt, mit festem Griff, nachdem der Meister eine Rede gehalten hatte, eine bedeutende Rede von vollendeter Form. Er war zur Bühne vorgedrungen und hatte diese erklommen, um diesem Manne, der ihm so aus dem Herzen gesprochen hatte, seine Ehrerbietung auszusprechen, ihm zu danken. Stattdessen hatte der Meister, der ihn sofort wahrgenommen hatte und auf ihn zu gekommen war, ihm gedankt, dass er in ihm solch einen aufmerksamen Zuhörer gefunden hätte.
Obwohl der Saal voll gewesen war, hatte der Meister sich alle Zeit genommen, ihn über seine Gedanken zu befragen. Wie das hehre Ziel zu erreichen sei, seiner Meinung nach. Wie sie sich würden politisch durchsetzen können. Wie er in dieser oder jener Frage dachte. Mit wachsender Begeisterung hatte er geantwortet, denn er hatte sich nicht erinnern können, dass ihm schon einmal jemand so zugehört hatte. Es war bis spät in die Nacht gegangen, dieses erste Gespräch, nur unterbrochen von vereinzelten Gratulationen oder Danksagungen anderer, denen der Meister zurückhaltend, fast widerstrebend begegnet war. Und er, die trübe Funzel aus einem kleinen Kaff, hatte zu leuchten begonnen wie ein großes Licht, dafür hatte der Meister gesorgt.
Damals war ihm klar geworden, dass, wollte man das Ziel verwirklichen, nur ein einziger Mann dies erreichen konnte, und dass alle Welt sich diesem Manne anschließen musste.
Von dem Tag an war er dem Meister gefolgt. Hatte jeden von dessen Schritten versucht vorauszuahnen. Hatte erkannt, was die wahre Liebe war, nämlich nur die absolute, unverbrüchliche Treue zu einem großen Geist. Sie half, alles andere zu besiegen, half, das Widersinnige, das Widerwärtige, das Abgründige abzuschütteln.
Er war durch die Hölle gegangen, mehr als einmal, bevor er dem Meister begegnet war. Hatte sich absurdem und unwürdigem Verlangen hingegeben, und zwar nicht nur in Gedanken. Mit Ekel und Abscheu dachte er noch immer an diese Irrwege zurück, die er hatte verlassen können, als der Meister ihm seine Sphären eröffnet hatte. Gefolgschaft, Treue und Unterwerfung hatten ihn von diesen Irrwegen abgebracht. Der Meister war seine Rettung gewesen.
Es galt damals, die Aufgaben zu erfüllen, die den Meister, die sie alle, dem Ziel näher brachten. Gewissenhaft hatte er sich mit all seiner Kraft an die Arbeit gemacht, hatte keine noch so schwere Bürde abgelehnt und sich für alles eingesetzt, das ein anerkennendes Lächeln auf des Meisters Lippen zu zaubern vermocht hatte.
Diese Schwachköpfe, die heutzutage in des Meisters Schatten herumliefen, seinen Namen riefen und sich mit seinen Idealen brüsteten. Nicht einmal würdig, Staub von seinen Stiefeln zu lecken, wären sie damals gewesen. Diese satten Parasiten, die sich aus der Zügellosigkeit der Gegenwart speisten, die ihnen wiederum ihre Eskapaden und ihre Phrasen auch noch als Torheiten nachsah, die hatten nicht den Funken einer Ahnung, was Gefolgschaft ihm gegenüber bedeutet hatte. Welcher Schmerzen man Herr werden musste. Welche Opfer man zu bringen hatte. Dass nichts anderes mehr zählte als sein Wort. Dass keine Wahrheit wahrhaftiger war als die seine. Dass die eigenen Bedürfnisse keine Rolle mehr spielten, weil die eine Richtung, die einzige Richtung, vorgegeben war. Da war kein Platz für sinnloses Gelärm und Geschwärm, da war allein der Meister und sein Wort.
Diese hirnlosen Trittbrettfahrer glaubten tatsächlich es zu kennen, sein Wort. Glaubten, ihn zu kennen. Aber sie hatten ihn nicht gekannt, hatten nie seine Präsenz erlebt, hatten nie am eigenen Leib gespürt, wie seine Aura einen Raum, einen Saal, eine ganze Arena füllen konnte. Sie waren nie trunken vor Freude in Jubel ausgebrochen, wenn der Meister wieder einmal genau das ausgesprochen hatte, was sie alle in ihren Herzen fühlten, und ihnen dabei auch noch direkt in die Augen geblickt hatte. Ihre lächerliche Anhängerschaft hatte mit wahrer Ergebenheit so gar nichts gemein, war nichts als ein Abklatsch von damals.
Fort! Alles fort! Der Tod des Meisters hatte das Ende von allem besiegelt. Seine Welt war mit ihm zerstört. Was danach kam, war von keiner Bedeutung mehr, die Sache an sich war verloren und würde es immer bleiben.
Alle Welt war in solcher Unkenntnis der wahren Motive des Meisters und niemand konnte begreifen. Sie maßten sich dennoch ein Urteil an, maßen sein gesamtes Wirken allein am Unausweichlichsten, das doch niemals hätte geschehen müssen, wenn er damals den Meister nicht im Stich gelassen hätte, wenn er nicht auch zu schwach gewesen wäre. Dabei war der Plan an sich gut gewesen. Er hätte die Rettung bringen können und die Welt und den Meister vor jenem Unausweichlichsten bewahren.
Aber er war zu schwach gewesen, zu klein, zu unbedeutend. Ohne die Aura des Meisters, die ihn zum Leuchten gebracht hatte, war sein Schein verblasst und er hatte versagt. Auf der ganzen Linie versagt.
Das lag nun so viele Jahre zurück, und die ach so neue Zeit hatte ihm eine Trostlosigkeit gebracht, der er so gerne entkommen wäre. Versucht hatte er es mehr als einmal. Aber nicht einmal das wollte ihm gelingen. Selbst dazu war er einfach zu schwach. Und sich von ihnen, seinen Feinden, aller Sinne berauben zu lassen, diesen Triumph konnte er ihnen auch nicht gönnen.
Das Eingesperrtsein war nicht das Problem, mochten sie das auch glauben, die sich zu Richtern über ihn ernannt hatten. Nein, das Eingesperrtsein war eine Befreiung, weil ihn die Welt, wie jetzt war, auf diese Weise so gar nichts mehr anging. Weil er nicht mehr von ihr belangt werden konnte. Das Ende seiner Welt war längst gekommen. Er harrte hier aus, um auf eine Gelegenheit zu warten, nachzufolgen und sein persönliches Ende zu erleben. Aber er war sich sicher, dass dieses lange Ausharren seine Bestrafung war für sein Versagen am Meister, dafür, dass er ihn verlassen und im Stich gelassen hatte.
Dabei hatte er geglaubt, auf Verbündete zu treffen, die er dem Meister als solche hätte präsentieren können, die ihm hätten zum Ziel verhelfen können, ihn unterstützen, noch bevor die Krise nahte. Er hatte sie nahen sehen, und der Meister hatte das verstanden, weil er ganz sicher selbst darum gewusst hatte. Aber der Meister hätte es niemals zugelassen, dass er als sein persönlicher Vertreter sich derart opferte. Deshalb hatte er seine Aktion heimlich in die Wege leiten müssen in der vollen Überzeugung, dem Meister seinen Erfolg präsentieren zu können, um wieder einmal das anerkennende Lächeln auf dessen Lippen erleben zu dürfen. Jenes Lächeln, welches nun schon so lange dem großen Bemühen zum Opfer gefallen war, auf allen Fronten zugleich kämpfen zu müssen. Dann wäre er allein des Meisters oberster Getreuer gewesen und hätte ihm den allergrößten Dienst erwiesen.
Aber er hatte es nicht gekonnt. Darum hatte er es verdient, ohne jede Hoffnung weiterleben zu müssen, obwohl er auch dafür im Grunde zu schwach war. Denn wenn sich die Gelegenheit bot, würde er wieder versuchen, sich diesem sinnlosen Dasein zu entziehen. Vielleicht würde ihm diesmal jemand dabei helfen.
Er kannte nur ein einziges Bedauern, dass er den Meister, der ihn schließlich für einen Abtrünnigen hatte halten müssen, nicht lebend hatte wiedersehen können. Aber dieser Gedanke war wohl ein allzu selbstsüchtiger, schließlich war er geradezu überglücklich gewesen, dass der Meister durch eigene Hand sein Ende gefunden hatte und sich so dem Urteil dieser Barbaren, die nie begreifen würden, hatte entziehen können. Auf diese Art hatten sie seinem Wesen nichts anhaben können. Schwächlinge, allesamt, und des Meisters nicht würdig! Und er gehörte nun schon so lange dazu.
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