Sunday, March 1. 2015
Die zusätzliche Wäscheklammer
Erste Annäherung an Erdrichs "Meisterwerk" (so Roth)
Mein Weg durch die Taubenplage ist ein mühsamer. So mühsam wie der Kirchgang der langberöckten Frauen mit den braunen Beinen. Schöne Beine sind das, insbesondere die Fesseln, aber ein Kirchgang mit ihnen durch diese Vogel-Besatzung steht mir nicht an; ich folge ihnen nur unentwegt mit den Augen und kann ebenso wenig aufhören mich zu fragen, wohin sie wirklich gehen.
Ich war auch schon auf den Spuren Holy Tracks, ich trank mit dem trinkfesten Priester, ich schrieb diesen verflixten Namen, den ich nie mehr vergessen werde, immer und immer wieder, ich tat das alles vorwärts und rückwärts und durcheinander. Ich kenne jedes Detail dieses Weges, der eher Raum als Strecke ist, sogar, wie viele blaue Lehrerhemden Vater hat, weiß ich. Es ist erstaunlich, was man sich merken kann, nur warum?
Die erzählten Teile, die Geschichten in den Geschichten und die Figuren, werden lebendig und verharren dann in dieser kunstvollen Lebendigkeit, weil selbst ihr Handeln nur ihrem Diktat folgt, das dem Publikum als ein eben solches, als Diktat, aufgegeben wird: Schreib mit, erzähle nach! Ja, sogar: Leb mit! Leg dich hin und lausche dem Alten, beobachte Mutter beim Wäscheaufhängen, wie sie mit ihrer malerischen, stets zusätzlichen Wäscheklammer zwischen den Lippen jedes einzelne Wäschestück an der Leine dem Wind anheim stellt.
Ich komme nicht weiter, ich bin Teil des Geschehens, das gar keines ist, weil keine Maxime sich andeutet, vielleicht weil das Leben, das hier beschrieben wird, so eng erscheint, so einzig und elementar. Als gäbe es nichts anderes auf dieser Welt, als sei dies alles, was wir kennen und wissen, und als führte jeder Weg nach außen stets nach innen.
Ich beginne immer wieder von vorne, entdecke, dass mein Langmut sich über eine zwischenzeitliche Wut in echten Mut verwandelt und dass das, was wenig unterhaltsam war (schließlich ist der Fernseher entweder verboten oder kaputt), zu etwas Vertrautem und Nötigem heranreift. Malen könnte man das in tausend Bildern. Dichten könnte man das in tausend Versen.
Aber ist das nicht ein Roman? Ich habe es nicht vergessen, was so oft schon gesagt und gedruckt wurde: Ohne Auseinandersetzung keine Aktion. Ohne Konflikt keine Handlung. Die Handlung jedoch, man ahnt es schon, liegt lange zurück und dem nur noch schwelenden Konflikt fehlt die Flamme.
Ja, darf man das denn sagen, wenn ein Werk, so hoch gelobt, einem so ganz und gar nicht unterhaltsam erscheint? Nicht spannend, nicht unheimlich genug, nicht stringent genug erzählt, um zu fesseln? Und manches, so prachtvoll beschrieben wie auch immer, zu unmotiviert wirkt?
Nun kann man in der Tat ein Gesamtmachwerk anhand eines Teiles schlichtweg wohl nur ungerecht bewerten. Und doch, mögen auch Vergleiche hinken, das Problem hatte ich mit "Beloved" oder "To Kill a Mocking Bird" nicht.
Der deutsche Titel spottet wieder einmal jeder Beschreibung, aus "The Plague of Doves" wird "Solange du lebst", ein in vielen Varianten schon so oft genutzter Satz, der am Geschehen komplett vorbeigeht. Ich werde das nicht. Ich beginne also wieder von vorne und hoffe dann einfach mal weiter, dass die Spannung irgendeiner verfolgbaren Handlung bald beginnt. Hoffentlich solange ich lebe!
To be continued!
© 2015
Mein Weg durch die Taubenplage ist ein mühsamer. So mühsam wie der Kirchgang der langberöckten Frauen mit den braunen Beinen. Schöne Beine sind das, insbesondere die Fesseln, aber ein Kirchgang mit ihnen durch diese Vogel-Besatzung steht mir nicht an; ich folge ihnen nur unentwegt mit den Augen und kann ebenso wenig aufhören mich zu fragen, wohin sie wirklich gehen.
Ich war auch schon auf den Spuren Holy Tracks, ich trank mit dem trinkfesten Priester, ich schrieb diesen verflixten Namen, den ich nie mehr vergessen werde, immer und immer wieder, ich tat das alles vorwärts und rückwärts und durcheinander. Ich kenne jedes Detail dieses Weges, der eher Raum als Strecke ist, sogar, wie viele blaue Lehrerhemden Vater hat, weiß ich. Es ist erstaunlich, was man sich merken kann, nur warum?
Die erzählten Teile, die Geschichten in den Geschichten und die Figuren, werden lebendig und verharren dann in dieser kunstvollen Lebendigkeit, weil selbst ihr Handeln nur ihrem Diktat folgt, das dem Publikum als ein eben solches, als Diktat, aufgegeben wird: Schreib mit, erzähle nach! Ja, sogar: Leb mit! Leg dich hin und lausche dem Alten, beobachte Mutter beim Wäscheaufhängen, wie sie mit ihrer malerischen, stets zusätzlichen Wäscheklammer zwischen den Lippen jedes einzelne Wäschestück an der Leine dem Wind anheim stellt.
Ich komme nicht weiter, ich bin Teil des Geschehens, das gar keines ist, weil keine Maxime sich andeutet, vielleicht weil das Leben, das hier beschrieben wird, so eng erscheint, so einzig und elementar. Als gäbe es nichts anderes auf dieser Welt, als sei dies alles, was wir kennen und wissen, und als führte jeder Weg nach außen stets nach innen.
Ich beginne immer wieder von vorne, entdecke, dass mein Langmut sich über eine zwischenzeitliche Wut in echten Mut verwandelt und dass das, was wenig unterhaltsam war (schließlich ist der Fernseher entweder verboten oder kaputt), zu etwas Vertrautem und Nötigem heranreift. Malen könnte man das in tausend Bildern. Dichten könnte man das in tausend Versen.
Aber ist das nicht ein Roman? Ich habe es nicht vergessen, was so oft schon gesagt und gedruckt wurde: Ohne Auseinandersetzung keine Aktion. Ohne Konflikt keine Handlung. Die Handlung jedoch, man ahnt es schon, liegt lange zurück und dem nur noch schwelenden Konflikt fehlt die Flamme.
Ja, darf man das denn sagen, wenn ein Werk, so hoch gelobt, einem so ganz und gar nicht unterhaltsam erscheint? Nicht spannend, nicht unheimlich genug, nicht stringent genug erzählt, um zu fesseln? Und manches, so prachtvoll beschrieben wie auch immer, zu unmotiviert wirkt?
Nun kann man in der Tat ein Gesamtmachwerk anhand eines Teiles schlichtweg wohl nur ungerecht bewerten. Und doch, mögen auch Vergleiche hinken, das Problem hatte ich mit "Beloved" oder "To Kill a Mocking Bird" nicht.
Der deutsche Titel spottet wieder einmal jeder Beschreibung, aus "The Plague of Doves" wird "Solange du lebst", ein in vielen Varianten schon so oft genutzter Satz, der am Geschehen komplett vorbeigeht. Ich werde das nicht. Ich beginne also wieder von vorne und hoffe dann einfach mal weiter, dass die Spannung irgendeiner verfolgbaren Handlung bald beginnt. Hoffentlich solange ich lebe!
To be continued!
© 2015
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